Wovon reden wir eigentlich, wenn wir Winter sagen? Was auf den ersten Blick klar und unmissverständlich scheint, gibt beim zweiten Hinschauen Rätsel auf. Das einzig Gesicherte scheint: Nie sind die Gegensätze von Drinnen und Draussen grösser als in den Wintermonaten.
Der Winter ist eine wunderbare Jahreszeit.
Alles wird still, wenn eine Schneedecke über Stadt und Landschaft liegt. Nie scheinen die Sterne so hell wie in einer klaren Winternacht, nie ist das Licht der Kerzen wärmer. Drinnen ist es kuschelig angenehm, während es draussen vor Kälte klirrt und Weihnachtslichter schmücken Städte und Dörfer.
Der Winter ist eine scheussliche Jahreszeit.
In der Stadt wird Schnee sofort zu bräunlich-grauem Matsch. Über dem Flachland liegt eine Hochnebeldecke, schon ein harmloser Spaziergang erfordert aufwendiges Vermummen, und die rutschigen Strassen machen das Einkaufen zu einer gefährlichen Unternehmung. Kurz, der Winter ist eine umstrittene Jahreszeit.
Drinnen und Draussen
Ein Gegensatz scheint den Winter mehr als alle anderen Jahreszeiten zu prägen, nämlich der von Drinnen und Draussen. Während es draussen kalt ist und Schnee, wenn er denn liegt, nach Aktivitäten vom Lang- bis hin zum Schneeschuhlaufen ruft, so scheint es Drinnen mit zunehmendem Alter immer wichtiger zu werden. Gut isolierte Häuser und Zentralheizungen machen es heute möglich, die Kälte auszusperren. Auch psychisch scheint der Winter mit den kurzen Tagen und langen Nächten die richtige Jahreszeit, um nach innen zu blicken. Im christlichen Europa verstärken Advent und Weihnachten diese Tendenz. Trotz Vorweihnachtsstress und Shoppingtouren ist es für viele Menschen wichtig, gerade in der Adventszeit Ruhe zu finden, zurückzulehnen und sich auf das zu besinnen, was einem im Leben wirklich wichtig ist. Diese Fähigkeit wird im Hinblick auf das Weihnachtsfest oft entscheidend. Hier kann das Auseinanderklaffen von inneren Bildern und Realität besonders schmerzhaft werden, weil die Erwartungen vielfach zu hoch geschraubt sind.
Da der Winter einen mehr als sonst ins Haus zwingt, scheint er die perfekte Jahreszeit, um grössere Projekte in Angriff zu nehmen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man sich einen Wälzer vornimmt, den man schon längst lesen wollte. Oder man räumt den vollgestopften Schrank endlich auf und gibt alles weg, was schon seit fünf Jahren niemand mehr in die Hände genommen hat. Kurz: Der Winter ist eine sehr vielseitige Jahreszeit.